Gott ist Liebe (1. Joh. 4,8 LU). Eine Folge seiner Liebe ist Güte, Erbarmen und Geduld. Psalm 103, man nennt ihn ‚Das Hohelied der Barmherzigkeit Gottes‘, sagt in den Versen 8-13 GNÜ:
„Voll Güte und Erbarmen ist der Herr, voll grenzenloser Liebe und Geduld. Er klagt nicht ständig an und trägt nicht ewig nach. Er straft uns nicht, obwohl wir es verdienten, er lässt uns nicht für unser Unrecht büßen. So unermesslich groß der Himmel ist, so groß ist Gottes Güte zu den Seinen. So fern der Osten von dem Westen liegt, so weit entfernt er unsere Schuld von uns. Der Herr liebt alle, die ihn ehren, sowie ein Vater seine Kinder liebt.“
Wir sehen hier deutlich, dass Vergebung ihre Grundlage in der selbstlosen Liebe Gottes hat. „Der Gottlose lasse von seinem Wege und der Übeltäter von seinen Gedanken und bekehre sich zum Herrn, so wird er sich seiner erbarmen, und zu unserem Gott, denn bei ihm ist viel Vergebung“. (Jes. 55,7 LU)
Mit dieser Verheißung dürfen wir uns aus dem unendlich großen Vergebungsschatz unseres Gottes Vergebungskraft erbitten und auch empfangen. Gott schenkt sie uns.
Meine erste Gebetserfahrung unter Berufung auf Verheißungen in der Bibel
Es geschah in meiner Anfangszeit als Seelsorger. Ich war einige Tage dienstlich verreist gewesen. Als ich nach Hause kam, sah ich die Post durch. Darunter war ein Brief meines Vorgesetzten aus München. In Kopie beigefügt fand sich ein Brief, den ein Bruder aus meiner Gemeinde in Regensburg an ihn geschrieben hatte. Er hatte ihm mitgeteilt, dass ich etwas nicht erledigt hätte. Ich wusste sofort, dass dies ein Irrtum war, denn ich hatte diese Sache erledigt. Am nächsten Morgen war mein erster Gedanke: Wieso schrieb mein Bruder nach München, statt mich hier anzusprechen? Ich wollte ihm nicht böse sein, aber nach einiger Zeit stellte ich fest, dass ich ungute Gefühle gegen ihn hegte. So betete ich das nachfolgende Gebet:
Wie ging die Sache aus? Nach dem Gebet ging ich an meine Arbeit. Als ich nach etwa einer Stunde an dieses Anliegen dachte, wusste ich ganz klar alle Einzelheiten. Es hat mich aber innerlich überhaupt nicht mehr belastet. Beim Bibelgespräch im nächsten Gottesdienst konnte ich ganz unmerklich einfließen lassen, dass ich jene bewusste Sache erledigt hatte. Da kam der Bruder in der Pause zu mir und wollte sich entschuldigen. Ich sagte ihm: „Ich weiß, was Du mir sagen willst. Es ist alles wieder in Ordnung.“ Wir gaben uns die Hand. Als ich mich am Ende des Gottesdienstes von ihm verabschiedete, sahen wir uns einen Moment länger in die Augen. Wir waren beide wieder froh geworden.
Gebet
Vater im Himmel, Du kennst diesen Brief. Du weißt, dass dies ein Irrtum ist. Du weißt auch, dass ich meinem Bruder nicht böse sein will, aber ich stelle fest, dass es der Fall ist. Bitte vergib mir dies. Habe Dank, dass Du mir schon vergeben hast, denn dein Wort sagt: Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, vergibst Du uns. (nach 1. Joh. 1,9) Aber, Vater, ich habe noch ein Problem: Ich habe noch diese unguten Gefühle in meinem Herzen und werde sie nicht los. Ich muss dauernd an diese Sache denken. Ich bitte dich, nimm Du sie mir weg. Da dein Wort sagt: „Wenn der Sohn euch frei macht, dann seid ihr wirklich frei.“ (Joh. 8, 36 GNÜ) danke ich dir, dass Du sie mir bereits weggenommen hast. Bitte sei auch mit meinem Bruder und hilf auch ihm zurecht. Und schenke mir, dass ich ihn von Herzen liebhaben kann. Habe Lob und Dank für Deine Hilfe. Amen.
Vor einigen Jahren habe ich ein Buch gelesen, das mich stark beeindruckt hat: 3 Ich möchte daraus berichten:
3 Catherine Marshall, „Schritt für Schritt“, Friedrich Bahn Verlag, Kapitel 3; vergriffen. Es wird nicht mehr aufgelegt.
Warum wurden seine Gebete nicht erhört?
Ein Afrika-Missionar im Ruhestand war zu Gast bei Katharina und Leonhard. Er sagte ihnen: „Ihr hattet mir doch erzählt, dass eine Reihe nichterhörter Gebete euch zu schaffen macht. Ich habe in meinem Leben herausgefunden, dass die Grundhaltung des Verzeihens eine Bedingung dafür ist, dass meine Gebete erhört werden.“
Er fuhr fort: „Vor einigen Jahren machte ich eine Phase durch, in der meinen Gebeten jede Kraft fehlte, und ich betete daher: Herr,ich habe nicht genug Glauben. Schenke mir mehr Glauben. Ich erkannte dann aber, dass das nicht mein Glaube war, sondern meine Vorbehalte und Vorwürfe, meine Vorurteile gegen eine ganze Menge Menschen. Dies war das Problem, warum meine Gebete nicht erhört wurden.“
Ich denke, wir stimmen alle zu, dass Nichtvergeben bedeutet, etwas gegen jemanden zu haben. Jesus sagte: „Aber wenn ihr betet, dann sollt ihr euren Mitmenschen verzeihen, falls ihr etwas gegen sie habt, damit euer Vater im Himmel euch eure Verfehlungen auch vergibt.“ (Mk. 11, 25 GNÜ) Jesu Auftrag ist es, zu vergeben.
Wer ist „Jemand“? Was ist „Etwas“?
Jemand! Das kann nur die Bedeutung haben: Irgendjemand, jedermann, ohne Ausnahme. Und was bedeutet etwas? Das meint, irgendetwas, ganz gleich was; alles, was immer es sein mag; alles, ohne Ausnahme. Verzeiht, wenn ihr etwas gegen jemand habt.
Wenn ich empfinde, dass mir Unrecht getan wurde, dann soll ich dem anderen vergeben. Dabei kann es sein, dass es tatsächlich Unrecht war oder dass ich es nur so empfinde. Der andere sieht es vielleicht gar nicht als Unrecht an. Vielleicht war es auch keines, aber ich sehe es so. Es kann sogar sein, dass ich dem anderen meine Vergebung mitteile, und er sagt mir: Ich wüsste gar nicht, was du mir zu vergeben hättest.
Jesus fordert uns auf, alle einzelnen Ungerechtigkeiten und alles uns zugefügte Unrecht zu verzeihen. Im Vater Unser findet sich eine gefährliche Bitte:
„Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir allen vergeben haben, die an uns schuldig geworden sind.“ (Mt. 6,12 GNB)
Der Nachsatz hierzu im Vater Unser lautet: „Wenn ihr den anderen vergebt, was sie euch angetan haben, dann wird euer Vater im Himmel euch auch vergeben. Wenn ihr aber den anderen nicht vergebt, dann wird euer Vater euch eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“ (Mt. 6,14.15 GNB)
Ralph Luther sagt dazu: „Unsere Schuldner sind nicht nur die, die uns ausdrücklich beleidigt haben, sondern alle Menschen, die uns etwas schuldig geblieben sind an Verständnis, an Rücksicht, an Hilfsbereitschaft, an Dankbarkeit, an Freundschaft oder was es sonst sei. Es kommt uns zu, ihnen die Schuld zu erlassen.”4
4 Neutestamentlichen Wörterbuch, S. 264/65 ,Stichwort „Vergebung (unter Menschen)